Montag, 28. Dezember 2009

Mein Haus

Welch seltsames Haus ich doch besitze.

Man sagt, ich hätte ein großes Haus und es wäre gut so.

Doch ich wundere mich, wohnen da doch die unterschiedlichsten Menschen darin.

Der Eine hat ein ganz kleines Kämmerlein, mit nicht mehr als einer Pritsche, einem Tisch, einem Spiegel und nicht mal einen Schrank.

Andere wohnen in luxoriösen Suiten mit Brokatvorhängen, Echtholzparkett und Kronleuchtern an der Wand.

Ein paar Mieter haben sich ganz und gar eingeschlossen mit dicken Wänden und schweren Eisenschlössern, zu denen ich keinen Zutritt habe.

Manchmal beschweren sich einige Mieter, ihre Wohnung wäre zu kalt. Offenbar funktioniert die Heizung nur an bestimmten Tagen dort.

Es ist auch wunderlich, den ich erinnere mich nie, Mietverträge abzuschließen und dennoch ziehen immer wieder neue Personen in die noch leerstehenden Wohnungen, während Andere von einem Tag auf den anderen mitsamt ihrem Hab und Gut verschwinden.

Dann gibt es wieder welche, an deren Gesichter ich mich wage erinnere, die aber all ihren Krempel zurück gelassen haben.

Manche Mieter mag ich gar loswerden, so sie gehen einfach nicht und ich scheine mir machtlos zu sein.


Obwohl ich nun soetwas wie der Besitzer des Hauses bin, ergreift das Haus selbst von mir Besitzt. Es hält mich Nachts wach und macht die Tage schwer.


Mir ist, als träte es mich, wenn ich ruhen will und es macht das Atmen schwer, wenn ich hinfort laufen will.

Was ist das nur, mit diesem Haus, meinem Herz?

Sonntag, 27. Dezember 2009

Sie geht

"Ich geh." sagt sie, während er langsam das dunkle Brot schneidet. Scheibe häuft sich auf Scheibe, während sie ihren Mantel anlegt. Natürlich den Roten. Den hat sie immer getragen, wenn es draußen regnete. Angeblich sieht man Rot bei jedem Wetter am Besten.

"Warte..." raunt er, doch viel zu leise. Wütend will er mit der Faust auf den Tisch schlagen, doch hält an, bevor seine geballte Fast auf das Schneidebrett mit den Broten knallen kann.

Es ist bereits 12 Uhr, als er das Geschirr abwäscht. Mit der bloßen Hand fährt er über den Tisch, räumt die Brotkrumen weg, packt die Butter wieder sorgfältig in das Papier ein und stellt sie in den Kühlschrank.

Nervös öffnen seine Hände eine Zigarettenschachtel. Die Folie wirft er achtlos in den Zigarettenbecher und geht dann ohne ihn hinaus auf den Balkon.

Langsam vermischt sich die kühle Abendluft mit dem Rauch seiner Zigarette. Ihm ist wohl dabei, auch wenn er den Geruch nie mochte wenn sie sich küssten. Es schmeckte so kalt, wie Metall.

Aus der Ferne hört er leise Musik. Eine Art Swing.

Gelächter dringt an sein Ohr. Es sind die Nachbarn. Zwei Kinder, gute Arbeit, zwei Autos, vage Zukunft.

Sehnsucht kommt in ihm auf. Ein Blick genügt und er sieht sich wieder da unten auf der Straße. Blutend, taumelnd gegen den Laternenpfahl gelehnt.

Dann ihr eindringlicher Ruf. Er dreht sich zu ihr, stürzt und schlägt auf dem Borstein auf.

Eilige Schritte.

Sie dreht ihn vorsichtig zur Seite. Ihr Taschentuch kann kaum Etwas ausrichten, doch Hilfe kommt bald aus dem Nachbarhaus.

Zwei Tage später sitzen sie untem am See im Park. Sie hält seine Hand, er hat ihren Arm vorsichtig um die Schulter gelegt. Alles ist gut.

Nach der vierten Zigarette ist es ihm zuviel. Er wirft die Fünfte, die er grad erst angesteckt hat, hinunter.

Leise schließt er das Balkonfenster. Aus der Nachbarwohnung dringen eindeutig Laute. Seine eigenen nächtlichen Tätigkeiten haben wohl das alte Ehepaar animiert, es nochmal damit zu versuchen. Nach 40 Jahren Ehe.

Bitter lächelt er. 40 Jahre. Solange ist er nicht mal auf dieser Welt. Sie schon gar nicht.

Den Whisky lässt er heute unberührt. Es war nie eine gute Idee, Alkohol im Haus zu haben, wenn man keine Gäste erwartet. Und sie trank nicht mehr als ein Glas Wein.

Da steht auch noch eine Flasche. Ein Roter. Soviel wusste er noch. Hat kaum dran genippt, da waren sie auch schon woanders.

Woanders. Da wird sie jetzt auch sein. Woanders ist gut. Nicht für ihn. Aber es ist gut.

Tür

Ich schließe leise die Tür.

Hinter der dicken Glasscheibe sieht man die Flamme loddern.

Langsam wird es schwächer, das Feuer, das Feuer, was ewig brennen sollte.

Ich drehe den Schlüssel herum.

Der Ofen ist noch ganz warm.

Ich gebe Dir den Schlüssel.

Du versteckst ihn.

Der Ofen ist noch warm.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

...

Dr. House ist für Arztserien dass, was Lemmy Kilmister für die Rockmusik ist.

Auftrag

"Was war ihr Auftrag?" fragt die klare, aber bestimmende Stimme aus dem Lautsprecher. Auch wenn er die Frau, die ihm gegenübersitzt durch die Glasscheibe sehen kann, so hat er keinerlei Interesse diese Frage zu beantworten. Selbst wenn sie nackt vor ihm stünde, es würde ihn nur noch anekeln, dieses Menschenweib.

Nochmal fragt sie: "Was war der Sinn ihrer Mission? Wurden sie beauftragt, oder haben sie es ganz alleine geplant?"

Doch er schweigt. Es gibt keine Antwort, doch es gibt jede Menge Fragen. Fragen, die er sich selbst schon gestellt hat nur um zu der Erkenntnis zu kommen, dass es eben Nichts, wirklich Nichts mehr gibt in seinem Kopf, was eine Frage beantworten könnte.

"OK. Ich denke das reicht für heute." meint sie, als er bereits zitternd, sabbernd neben dem Stuhl liegt und kaum noch einen Laut von sich gibt.

Sie schleifen ihn wieder in seine Zelle.

Da liegt er, nichts denkend, nichts wissend, halb schlafend, halb tot, da und starrt vor sich hin.

Immerzu sieht er es, das Eis. Diese große weite Wüste. Das Eis.

Hände

Er betrachtet ihr Hände, die untentwegt damit beschäftig sind mit einem kleinen beinahe stumpfen Messer die Schale der Rüben zu entfernen, welche noch bis vor Kurzem direkt hinter der Hütte in der Erde weilten.
Es sind alte Hände. Hände, die viel gesehen, viel berührt und viel verletzt wurden. Man sieht noch deutlich die Stelle, an der einst ein Ring seinen Platz hatte. Es war ihr Ring. Der, den er einst in dem guten Glauben
an bessere Zeiten gekauft und freudestrahlend angesteckt hatte, als sie noch in der Stadt lebten, das Kind noch da war und man nachts sicher durch die Straßen gehen konnte.

Als sie seine Blicke bemerkt, lächelt sie in sich hinein, schält aber unentwegt weiter, während er aus dem Sessel aufsteht, zwei Schritte bis zur ihr geht und seine Arme um ihren Bauch legt, sie sanft auf die Wange küsste und sich wieder löst um die Holzscheite im Ofen nachzulegen.

Es wird noch kälter, als draußen der Wind zu heulen beginnt. Beide sitzen sie stumm da, löffeln ihre Suppe und blicken sich immer wieder an, ohne sich in die Augen zu sehen. Es ist soviel geschehen, wie können sie das, was war den vergessen.

Wie können sie vergessen, als ihr kleines Kind ihnen entrissen wurde. Wie können sie vergessen, wie es die Soldaten durch die Straße schleiften bis es am Ende wie all die anderen Kinder auf dem Marktplatz verblutetete. Wie können sie ihre Hilflosigkeit, ihre Wut, ihre Trauer vergessen. Wie können sie stumm dasitzen und nichts weiter tun als ihre Suppe zu löffeln.

Sie können es nicht, aber sie müssen, denn es sind nicht Tage, an denen man hinaus geht, vor Verzweiflung schreit und hofft, dass jemand daher kommt, den Arm um die Schulter legt und einen tröstet. Es sind nicht Tage, an denen Menschen anderen Menschen helfen. Es sind nicht Tage, an dem es irgendjemanden auf dem Planeten gibt, der nicht mit sich selbst beschäftig ist.

Sie liegen beide im Bett. Eine Decke, gefüllt mit Stroh, Sögespänen und die Wärme der Suppe hilft ihnen die Kälte erträglich zu machen. Er sieht ihre blauen Lippen und küsst sie, bis sie langsam einschläft. Dann steht er auf, deckt sie nochmal richtig zu und zieht sich an.

Der Wind ist leiser geworden und im Schein der kleinen Lampe erkennt er das Haus seines Nachbarn. Kein besonders schöner Anblick ist es. Die Schmierereien am Haus, die erkennen lassen, dass hier üblere Dinge geschahen, als man erträumen kann.

Es ist leer, aber nicht ganz. Er öffnet leise die Tür, das Knarren könnte jemanden verdächtig vorkommen und sein schnelles Ende bedeuten.

Keiner außer ihm weiß davon, dass in einem der Zimmer etwas ist, was ihm eines Tages das Leben retten könnte, auch wenn er es damit beenden wird.

Fast jeden Tag betrachtet er es. Vorsichtig hebt er es aus der kleinen Scharte. Dieses kleine, rostige Ding.

Er öffnet das Scharnier. Zwei Patronen. Eine für sie. Eine für sich selbst. Er nimmt sie hinaus, schließt die Trommel des Revolvers, zielt damit zuerst auf die Wand, dann legt er es an den Kopf an und klickt.

8 Mal.

Ein leises Sirren geht durch den Raum, der Nachhall des Schlagbolzens.

Sanft, als währen es die Hände seiner Frau, fährt er über das Metall, bevor er den Revolver wieder öffnet, die zwei Patronen in die Trommel legt, ihn schließt und wieder in das kleine Loch in der Wand schiebt, was er mit einem alten Bild verdeckt.

Auf dem Rückweg geht er jedoch nicht geradewegs zurück ins Haus, was nicht mehr als eine Hütte aus Blech, Holzleisten und ein wenig Teer ist, sondern sucht den Weg nach liegengebliebenen Zeitungsstücken ab.

Leute suchen Kleider, Möbelstücke oder Kinderwagen. Es sind alte Zeitungen. Mindestens 10 Jahre alt. Doch er hebt die Schnipsel auf, glättet sie und schiebt sie in seine Brusttasche.

Dann geht er endlich nach Hause, keiner sollte ihn gesehen haben. Er nimmt die Zeitungsstückchen heraus, legt sie auf den Tisch und beginnt sie zu sortieren.

Es knackt und knistert, was ihn daran erinnert, Holz nachzulegen. Seine Frau wälzt sich im Bett. Seit ein paar Monaten ruft sie nicht mehr so oft im Schlaf den Namen des Kindes. Am Anfang erschrack es ihn, dann wurde es ihm
so unerträglich, dass er sich kleine Papierkugeln in die Ohren stopfte. Doch mittlerweile lässt seine Wut nach und sie verliert langsam die Erinnerung daran.

Es muss bereits die halbe Nacht vorbei sein, eher er wieder zu ihr ins Bett steigt. Ihr Körper ist angenehm warm geworden. Auch ihre Lippen haben das blasse Rot wieder. Er nimmt ihre Haare, fährt mit der Nase über sie, bevor er seine Augen schließt und schläft, bis die Sonne sie weckt.

Momente

Momente in denen man mit einem Kaffee auf einer Bank sitzt, um einen herum Menschen ihre Dinge tun, eine Brise Stadtluft einen um das Kinn streichelt, der Himmel weitestgehend maritim blau ist und der mp3-Player irgendein gutes Lied ausspuckt. Das sind Momente in denen ich sehr gerne lebe.

Oder es gibt diese Tage, an denen man um 5 Uhr bereits wach ist, hinaus geht um die Sonne zu begrüßen, man die Lieferanten bei ihrer Arbeit beobachten kann und der Erste ist, der genussvoll in ein frisches Brötchen hineinbeißt.

Und es gibt die Tage, an denen man mit jeder Menge Alkohol im Körper sich die Nacht weggduscht, dann ins warme Bett steigt und sofort einschläft mit der Gewissheit dem Geheimnis des Lebebs ein Stück näher gekommen zu sein.

Ja, das sind die Momente.